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Peaches – Ihr Leben. Mein Leben.

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Copyright: Angel CeballosAm Samstag läuft der Film „Peaches Does Herself“ auf dem IFFF 2013. Die in Berlin lebende Kanadierin hat sich nicht nur bei dem Titel des Films Inspirationen aus der Porno-Industrie geholt. Die Fans von Peaches lieben sie für ihre Provokationen. Egal ob sie auf der Bühne mit Outfits singt, die Lady Gaga wie eine prüde Klosterschülerin aussehen lässt, oder ob sie in ihren Videos ihren Schritt mit einer Schamhaar-Perücke in die Kamera hält – alles, was Peaches macht, macht sie irgendwie anders als alle anderen.
Die Besucher des IFFF 2013 dürfen also gespannt sein, was sie erwartet, wenn „Peaches does herself“ auf der Leinwand startet. Eine Art Musical zeigt das Leben und die Karriere von Merril Beth Nisker, so der gebürtige Name von Peaches.

Angefangen hat sie in Toronto mit dem Folk-Trio Mermaid Cafe. 1995 veröffentlichte sie dann ihr erstes Soloalbum unter ihrem bürgerlichen Namen Merril Beth Nisker. Erst später inspirierte sie der Song „Four Women“ von Nina Simone zu dem Namen Peaches. Ebenfalls 1995 startete sie die Band The Shit, unter anderem mit Chilly Gonzales. Er sollte aber nicht die einzige berühmte Person sein, die Peaches’ Leben von Anfang an begleitet hat. Bevor sie in Kanada berühmt wurde, teilte sie sich eine Wohnung mit Feist, die während der früheren Shows von ihr Backstage gearbeitet hat. 2000 bis 2001 tourten Peaches und Feist zusammen durch England. Während dieser Tour begleitete die damals noch unbekannte M.I.A. die Crew und entwarf T-Shirts für Peaches. M.I.A. drehte auch ein Video über diese Tour.

Das war aber nur der Anfang. Mit Beginn des neuen Jahrtausends zog Peaches nach Berlin, wo mittlerweile auch Chilly Gonzales wohnte. Durch einen eher zufällig entstandenen Gig in der Bundeshauptstadt wurde sie noch vor Ort vom Berliner Label Kitty Yo gesigned und bekam die Möglichkeit, ein Album aufzunehmen. „The Teaches of Peaches“ wurde daraus. Der ungewöhnliche offensive Stil zog Major Labels an. So unterschrieb Peaches einen Europa-Vertrag mit Sony, die sie aber später fallen ließen, da ihr Video zu „Set It Off“ zu radikal sei. Ein Auftritt bei Top of the Pops wurde nicht ausgestrahlt, da er zu „gewagt“ war. Die Welt war anscheinend noch nicht bereit für Peaches. Wie anfangs schon mal geschrieben, macht Lady Gaga heute alles das, was Peaches Jahre vor ihr getan hat. Provozieren.

2003 kam dann ihr zweites Album „Fatherfucker“ raus. Nicht gerade ein Schritt in Richtung Mainstream. Musikalische Größen, die sich ebenfalls mit Provokation auskennen, lieben sie dafür. So war die erste Single „Kick it“ eine Kooperation mit niemand Geringerem als Iggy Pop. Die Bühnen der Welt teilte Peaches sich mit Marylin Manson und den Queens of the Stone Age, um ihr Album zu promoten.
Auf ihrem dritten Album „Impeach My Bush“ versammelten sich noch mehr Gastmusiker um Peaches. Dazu gehörten unter anderem die anfangs schon erwähnte Feist, Josh Homme, Beth Ditto oder auch Joan Jett. Auf Tour begleiteten sie diesmal Nine Inch Nails und die Einstürzenden Neubauten.
Ihr bisher letztes Album „I Feel Cream“ erschien 2009 und enthielt wieder zahlreiche Kollaborationen mit bekannten Künstlern. Ein Jahr später wurde sie auf dem Independent Music Awards in Toronto als bester elektronischer Künstler ausgezeichnet.

Desweiteren spielte Peaches in mehreren Filmen mit. Unter anderem in einem Kurzfilm von John Malkovich oder in „Ivory Tower“, einem Film von und mit ihren Kollegen Chilly Gonzales und Tiga. Für Aufregung sorgte sie mit ihrem Ein-Mann/Frau-Bühnenstück „Peaches Christ Superstar“. Dabei ging es aber eher um Copyright-Rechte. Diese Arbeit zeigte den Kritikern, dass Peaches nicht nur stumpf provozieren kann, sondern eine breite stimmliche Klangpalette hat. Dazu ein Gespür für musicaleske Melodien und eine Ausstrahlung, die sowohl emotional und aggressiv ist. Wir wissen es schon, aber es sollte nicht ihre letzte Arbeit in diesem Bereich werden.

Ich persönlich habe zu Peaches eine ganz eigene Beziehung. 2003 habe ich zum ersten Mal etwas von ihr gehört. In einem kleinen Dorf im Sauerland aufzuwachsen OHNE das Internet, wie wir es heute kennen, ist schwierig. Umso mehr hat mich damals diese expressionistische Art von Musik und Kunst beeindruckt. Die Mädchen aus meinem Freundeskreis haben Peaches gehört. Wir Jungs dann doch eher biertriefenden Punkrock oder schwitzigen Metal. Electro-Clash von einer Frau, die über Masturbation singt? Einfach nur wow. Texte, von denen man als spätpubertierender, junger Mann nur träumen konnte. Für uns war es wie ein Weckruf zu einer Art sexueller Befreiung. Wir hörten, unter anderem, Peaches und verinnerlichten ihre Texte. Wir waren offener als andere, was Sex anging. Na gut, im Sauerland ist das auch nicht schwierig, aber wir fühlten uns way above. Wir sprachen über Sexpraktiken, tauschten aus, was möglich war, und mir fiel die Kinnlade runter, als ich zuhörte, wie Mädchen sich Tipps gaben, sich selbst zu befriedigen. Masturbation bei Jungs? Na klar. Masturbation bei Mädchen? Say what?!
Ab und zu höre ich heute ein Lied von Peaches und frage mich, ob ich mich anders entwickelt hätte, wenn dieser Sex, der von ihr immer noch ausgeht, mich nicht getroffen hätte.

Text: Philipp Oberkalkofen, Foto: Angel Ceballos


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